Trauern Männer anders?
Im Zentrum für Trauerseelsorge gibt es ein neues Angebot, das sich speziell an Männer richtet. Am „TrauerTresen“ können ab März an jedem ersten Donnerstag im Monat von 19.30 bis 21.30 Uhr trauernde Männer mit anderen Männern in ähnlicher Situation ins Gespräch kommen. Dabei sitzen sie in der geräumigen Küche an einer Bierzeltgarnitur, trinken etwas zusammen, hören leise Musik und tauschen sich aus. Das Angebot im Trauerzentrum (Butzbacher Str. 45, Nordend) ist kostenlos und unabhängig von Konfession und Religion. Im Interview erklärt Ralph Messer, Gemeindereferent, Trauerbegleiter und Initiator der neuen Gruppe, warum der „TrauerTresen“ gebraucht wird.
Erstmals gibt es im Trauerzentrum ein Angebot speziell für Männer. Wie unterscheidet sich „männliche Trauer“ denn von „weiblicher Trauer“?
Ralph Messer: Zunächst einmal muss man feststellen, dass moderne Trauerforschung davon ausgeht, dass jede Trauer höchst individuell verläuft. Natürlich gibt es nach wie vor gender-stereotype Verhaltensmuster oder Zuschreibungen – auch in der Trauer. Zum Beispiel: Frauen reden mehr und brauchen Gruppen. Männer sind eher wortkarg und mögen dafür Aktivität und Bewegung. Die Kette an Beispielen ließe sich fast endlos fortsetzen, aber am Ende bleibt im Blick auf Trauer die Erkenntnis: jede und jeder trauert anders. Männer trauern also als Männer. In ihrer Männer-Rolle, mit geprägt von ihrer Sozialisation und all ihren Erfahrungen. Und doch individuell als Mensch.
An Ihrem „TrauerTresen“ kommen Männer in der Küche des Trauerzentrums an einer Bierzeltgarnitur zusammen. Warum haben Sie dieses Format gewählt?
Ralph Messer: Weil Trauer so individuell ist, brauchen wir dringend möglichst unterschiedliche Räume und Formate, um möglichst vielen Menschen Andockpunkte zu bieten, um Trauererfahrungen betrachten zu können. Offene Räume dafür gibt es schon viele. Und das ist auch gut so. Aber ich vermute, es fehlt ein bisschen an Räumen von Männern für Männer in Trauer. Räume, die diejenigen Männer ansprechen und einladen, die als Männer in ihren Rollenmustern trauern, aber noch keinen passenden Raum gefunden haben, diese Trauer zu teilen.
Und warum die Küche?
Vielleicht haben Sie auch schon beobachtet, dass sich bei privaten Partys im Freundeskreis viele Menschen in der Küche zum Gespräch sammeln. Im öffentlichen Raum sitzen gerade Männer auch gerne mal am Tresen und beobachten von dort aus das Geschehen. Ich dachte mir: Vielleicht können wir das verbinden. Wir haben im Zentrum für Trauerseelsorge eine wunderbar große Küche. Wieso sollten wir sie nicht nutzen? Als Raum für Männer in Trauer.
Beim Zentrum für Trauerseelsorge handelt es sich um eine Einrichtung des Bistums Limburg. Die Angebote sind unabhängig von Konfession oder Religion – welche Rolle spielt Gott in den Gesprächen, die Sie führen?
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass alle meine Gespräche in Trauerkontexten durchwoben und getragen sind von der Gegenwart Gottes. Dieses, mein tiefes Gefühl des Getragen-Seins, scheint implizit und manchmal auch explizit in meinen Gesprächen durch. Jedoch dränge ich meine christliche und katholische Überzeugung anderen Menschen im Gespräch nicht auf. Gleichwohl mache ich zu Beginn stets sehr deutlich, dass ich Theologe der katholischen Kirche bin. Ich mache deutlich, dass meine Kirche offen und kostenfrei alle Menschen in Trauer unterstützen mag. Ich biete an, auch über die Glaubensdimensionen von Trauer ins Gespräch zu kommen. Denn das kann für manche Menschen ein echtes Plus und zusätzliche Kraftquelle gegenüber herkömmlichen Formen der Begleitung oder Therapie sein. Doch ich dränge diese christliche Dimension niemandem auf. Gleichwohl bin ich überzeugt, dass Gottes Geist wirkt und nachwirkt in diesen Begegnungen. Für jede Einzelne bin ich dankbar.
--
Das Interview führte Anne Zegelman. Weitere Informationen zu unserem neuen Angebot finden Sie in diesem Beitrag: https://trauerseelsorge.bistumlimburg.de/beitrag/trauertresen/