Ein kleiner Hauch von Leben
Die silberfarbenen Metallblätter drehen sich im Wind und funkeln im Sonnenlicht. „Leben“ ist in eingravierten Buchstaben auf einem von ihnen zu lesen, andere tragen die Namen von verstorbenen Kindern oder liebevoll handgeschriebene letzte Grüße der trauernden Familien. Die metallenen „Abschiedsblätter“ greifen die Form des neuen Gräberfeldes „Ein Hauch von Leben II“ auf dem Hauptfriedhof auf. In zwei blattförmigen, bepflanzten Beeten sollen Sternenkinder bestattet werden, also Babys, die vor der 24. Schwangerschaftswoche oder mit weniger als 500 Gramm Gewicht tot geboren wurden.
Bereits seit 2002 gibt es auf dem Frankfurter Hauptfriedhof ein Gräberfeld speziell für ungeboren verstorbene Kinder, das sich „Ein Hauch von Leben“ nennt. Da dieser Bereich nach 20 Jahren nun belegt ist, wurde das Areal „Ein Hauch von Leben II“ geschaffen – im zentralen alten Bereich des Hauptfriedhofs (Gewann C in der Nähe des Alten Portals, ein grünes Schild weist den Weg) und mit der Option, bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zwei Bestattungsbeete zu ergänzen. Unter der Leitung der städtischen Planerin Bettina Regenbrecht-Winkler waren fünf Auszubildende im Garten- und Landschaftsbau daran beteiligt.
Als tröstlich empfunden
Ende Februar wurden auf dem neuen Gräberfeld die ersten Sternenkinder gemeinschaftlich beigesetzt. Die beiden Klinikseelsorgerinnen Sybille Neumann, evangelische Pfarrerin und Koordinatorin der zuständigen AG Sternenkinderbestattungen, und Marita Cannivé-Fresacher, katholische Pastoralreferentin, aus der Uniklinik leiteten die Bestattung. „Das war ein Tag voller Emotionen, aber alle haben den blauen Himmel und den würdevollen Ort als tröstlich empfunden“, sagt Cannivé-Fresacher.
Nun ist das Gräberfeld auch offiziell eingeweiht worden. Neben Umweltdezernentin Rosemarie Heilig und christlichen Vertretern sprachen dabei auch Vertreter von Islam und Bahai, denn das Gräberfeld ist überkonfessionell und interreligiös. „Der Verlust eines Kindes, ist das Schlimmste, was Eltern passieren kann. Ob aus dem Leben gerissen oder nie geboren – nur, wer es selbst erfahren hat, wird wissen, wie groß Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit sein können“, sagt Rosemarie Heilig bei der Einweihung. „Mit diesem neuen Grabfeld, mit diesem besonderen Ort, möchten wir Eltern helfen, mit ihrer Trauer über ihr stillgeborenes Kind leben zu lernen. Der Gedenkbaum soll die Erinnerung persönlich und einzigartig machen.“
Für die trauernden Eltern, so die Erfahrung, ist es ein großer Trost, ihre ungeboren verstorbenen Babys würdevoll verabschieden zu dürfen. Die Natur spielt dabei eine besondere Rolle. „Wir begreifen den Baum als Sinnbild des Lebens“, erklären die Seelsorgerinnen. Die neuen Bestattungsbeete sind in Form eines Blattes angelegt, deshalb gibt es einen Trauerbaum, an dem metallene Blätter hängen. Immer wieder taucht diese Symbolik auf, und natürlich stehen auch rund um das neue Gräberfeld schöne alte Bäume.
Damit hier immer etwas blüht
Am ersten Grab des neuen Areals liegen weiße Blumen, eine Kerze brennt. Es wachsen Gräser, Christrosen, Anemonen und Frauenmantel. „Die Idee ist, dass hier immer etwas blüht“, sagt Pfarrerin Neumann. Der Trauerbaum aus rötlichem Cortenstahl steht direkt daneben und bietet Platz für persönliche Erinnerung. Er stammt aus der Metallwerkstatt des städtischen Grünflächenamtes, die Blätter, die jede Familie zur Gestaltung erhält, ebenfalls. „Wir haben uns für den Baum entschieden, um den Eltern die Möglichkeit zu geben, etwas dazulassen“, erklärt Thomas Bäder, Abteilungsleiter für Friedhofswesen beim Grünflächenamt.
Eltern eines totgeborenen Babys, das weniger als 500 Gramm wiegt, haben erst seit der Änderung des hessischen Friedhofs- und Bestattungsgesetzes 2018 die Möglichkeit, ihre Sternenkinder offiziell zu beerdigen. Manche entscheiden sich für eine private Bestattung, andere Eltern möchten oder können das nicht. In diesem Fall haben die Geburtskliniken die Verpflichtung, für eine würdige Beisetzung „nichtbestattungspflichtiger Kinder“ zu sorgen. In Frankfurt gibt es folgende Geburtskliniken: Uniklinik, Bürgerhospital, das Nordwest-Krankenhaus in Verbund mit dem Heiliggeist-Krankenhaus, Elisabethkrankenhaus sowie die Krankenhäuser in Sachsenhausen und Höchst. Etwa zehn Klinikseelsorgerinnen und -Seelsorger arbeiten in diesen Häusern und sind auch für Eltern da, die ihr ungeborenes Kind verlieren. Alle drei Monate findet eine gemeinsame Bestattung für Frankfurter Sternenkinder statt, stets geleitet von einem ökumenischen Duo aus der Klinikseelsorge.